Durch die eigene Brille

Wir tragen zwar nicht alle eine Sehbrille, aber die Welt betrachten wir alle durch die eigene Brille namens Menschlichkeit und die gibt es in verschiedenen Sehstärken.

Unsere gesamten Erfahrungen und Erlebnisse im Leben werden durch zahlreiche Faktoren beeinflusst, bevor wir sie aufnehmen und bewerten können. Manche Faktoren sind uns bewusst und andere nehmen wir nicht wahr. Es ist aber die Mischung aller Faktoren, die unsere Realität bilden.

Wir würden gerne glauben, dass unsere Welt die einzige wahre Welt ist, denn wir haben sie so erfahren und erlebt. Eine andere Welt kennen wir nicht. Aber andere Welten gibt es, und zwar in verschiedenen Versionen.

Zwei Menschen sitzen nebeneinander und fahren Achterbahn. Die gleiche Fahrt. Der gleiche Weg. Das Ergebnis?

Zwei unterschiedliche Erfahrungen und Erlebnisse. Zwei unterschiedliche Welten.

Es ist manchmal erstaunlich, was alles bei einer einfachen Achterbahnfahrt passiert.

Geburtstage anders feiern

Geburtstage zu feiern, kann eine schöne Sache sein, aber nur wenn das Geburtstagskind tatsächlich feiern will. Es gibt auch Geburtstagskinder, die nicht daran erinnert werden möchten, wie alt sie eigentlich sind. Es gibt auch andere Geburtstagskinder, die aus den unterschiedlichsten Gründen, Geburtstage einfach generell nicht feiern.

Geburtstage bringen oft Verpflichtungen mit sich. Einmal beim Nachbarn gefeiert, wird es in der Regel überlegt werden müssen, ob der Nachbar auch zur eigenen Feier eingeladen werden muss. Es wurde schließlich auch bei ihm schon mal gefeiert.

Geburtstage bringen ebenfalls oft Erwartungen mit sich, auch wenn diese nicht ausgesprochen wurden. Ist ein Freund unerwartet zur eigenen Feier erschienen und die Freude war groß? Dann kann davon ausgegangen werden, dass wenigstens darüber nachgedacht wird, wenn der Freund ebenfalls Geburtstag hat.

Es ist manchmal schwierig, die unterschiedlichen Wünsche, Erwartungen und Bedürfnisse aller Menschen im Bekanntenkreis zu merken und noch schwieriger ist es wohl, es allen gerecht werden zu wollen. Manchmal klappt es, manchmal weniger.

Eine mögliche allgemeine Lösung, um all diese Verpflichtungen, Erwartungen und Vorstellung gerecht zu werden sind Überraschungen.

Anstatt genau an diesem Tag zu feiern, kann das Geburtstagskind an einem anderen Tag einfach überrascht werden, danach oder sogar vor dem eigentlichen Geburtstag. Es muss nur zu der jeweiligen Person passen.

Anstatt etwas zu schenken, kann angerufen werden. Anstatt anwesend zu sein, kann ein Video gesendet werden. Anstatt Erwartungen zu erfüllen, kann vorher geklärt werden, dass man Geburtstage selbst anders betrachtet oder feiert.

Geburtstage zu feiern kann schön und erwünscht sein, muss aber nicht. Überraschungen dagegen haben die meisten gerne und können immer in Betracht gezogen werden.

Unerwartete Freude mit Freunden

Gestern war meine Frau und ich essen gegangen. Als wir in einer kleinen Schlange am Eingang auf Zutritt gewartet haben, sah ich einen alten Bekannten direkt vor mir stehen.

Ich war mir aber nicht sicher, ob er das war oder nicht, denn ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen. Daher habe ich mich langsam so positioniert, damit ich besser sehen konnte, ob er das war oder nicht, ohne gleich aufzufallen, für den Fall, dass er doch nicht mein Bekannter war.

Er war es. Graue Haare hat er auch bekommen, genau wie ich.

Ich habe ihn begrüßt nach der langen Zeit und er war außer sich vor Freude und ich habe mich ebenfalls sehr gefreut. Sofort haben wir angefangen miteinander zu sprechen, als ob wir gar nicht in einer Warteschlange stehen würden.

Wir haben uns während des Essens lange unterhalten und ausgetauscht. Es war einfach ein netter Abend mit einem netten alten Bekannten, der zu einem Freund wurde.

Später war der Abend dann zu Ende und wir haben uns verabschiedet. Ob wir uns zu einem anderen Zeitpunkt wiedersehen, steht in den Sternen, vielleicht ja und vielleicht auch nicht, denn wir beide sind sehr beschäftigt und haben viele Verpflichtungen.

Trotzdem war der Abend an sich ein Geschenk und das Essen hat sogar geschmeckt. Ein Doppelgewinn.

Freude mit Menschen lässt sich weder vorbestellen noch einplanen, aber wenn sie kommt, muss die Gelegenheit genutzt werden, sie voll zu spüren und genießen, denn wir wissen nicht, wann die nächste Möglichkeit dazu kommt.

Wenn sinnloses Reden Sinn macht

Wir haben es alle irgendwann mal erlebt – dein Gesprächspartner redet und redet, sagt aber seit einer Weile eigentlich nichts Neues oder Interessantes mehr. Trotzdem redet er weiter.

Wir können versuchen, das Thema zu wechseln, den Gesprächspartner zu unterbrechen oder einfach nicht mehr aktiv zuzuhören. Manchmal klappt die eine oder andere Strategie einigermaßen gut, manchmal weniger.

Aber warum redet er eigentlich doch so lange?

Über welches Thema wird so viel geredet? Warum ist dieses Thema zu diesem Zeitpunkt wichtig für deinen Gesprächspartner? Warum hat dein Gesprächspartner ausgerechnet dich ausgewählt, um das Ganze zu erzählen (was die Auswahl wirklich so klein?)

Je mehr wir über die Hintergründe des Mitteilungsbedürfnisses wissen, desto vernünftiger können Entscheidungen über die weitere Vorgehensweise getroffen werden.

Der Mensch hat grundsätzlich ein Mitteilungsbedürfnis. Stärke zeigt der Zuhörer, der trotz des sinnlosen Redens weiterhin zuhört, zumindest eine Weile.

Der Erzähler wird es dir danken und später, wenn du selbst in dieser Lage bist, wirst du froh sein, dass jemand dir zuhört, auch wenn du ein wenig zu lange redest.

Wie die Zeit die Empfindung von Freundschaften ändert

Freundschaften ändern sich gelegentlich mit der Zeit. Manchmal driften sie einfach so und ohne Grund auseinander und manchmal durch Ärger oder Erfahrungen müssen die Empfindungen neu definiert werden.

Gelegentlich kann ein Missverständnis der Grund für eine Neubewertung der Freundschaft sein. Wenn das Missverständnis geklärt werden kann, dann bestehen gute Chancen auf eine Fortsetzung der Freundschaft.

Es kommt auch vor, dass ein konkretes Ereignis die Freundschaft ändert, zum Guten und auch zum Schlechten, beide Richtungen sind natürlich möglich.

Interessant ist aber die Zeit zu betrachten, wenn es um die Empfindung von Freundschaften geht.

Es gibt Menschen, die sich seit Jahren nicht gesehen oder miteinander gesprochen haben und wann sie sich wieder treffen, dann ist es so, als ob sie nur kurz voneinander getrennt waren. Oft werden die Empfingen hier bestätigt oder vertieft.

Es gibt auch Menschen, die wir früher vielleicht nicht besonders gemocht haben, dann sehen wir diese Menschen nach vielen Jahren wieder. Sind die Empfindungen für diese Menschen gleichgeblieben? Die Erfahrung zeigt, dass dies nicht immer der Fall ist. Die meisten Menschen freuen sich, wenn sie alte Bekanntschaften wiedersehen, auch wenn sie vielleicht nicht die besten Freunde früher waren.

Die Zeit ändert stets die Empfindung von Freundschaften ohne unsere Mitwirkung. Unsere eigene Einschätzung und Bewertung von Freundschaften ist nicht immer blind zu vertrauen, besonders mit der zunehmenden Zeit.

Ruf einen alten Freund an, den du seit Jahren nicht mehr gesehen oder gesprochen hast. Wie reagiert er? Die gewonnene Klarheit kann sehr erfrischend sein.