Die Frau Müller von der Buchhaltung arbeitet wie eine Maschine und die anderen Mitarbeiter im Büro konnten das definitiv ebenfalls bestätigen, weil sie das Tippen von der Frau Müller dauerhaft mitbekommen haben. Von morgens bis abends tippt die fleißige Frau Müller und ihr Chef war stets zufrieden und die Buchhaltung war immer in Ordnung.
Eines Tages hat die Frau Müller plötzlich gekündigt.
Die Mitarbeiter im Büro waren geschockt und der Chef komplett fassungslos. Die Frau Müller hatte sich nie beschwert oder über ihre Arbeit gejammert. Auf Anfrage des Chefs hat die Frau Müller persönliche Gründe für die Kündigung angegeben und wollte sonst nicht tiefer darauf eingehen.
An ihrem letzten Arbeitstag hat der Chef die Frau Müller zu einem letzten und gemeinsamen Gespräch mit allen Mitarbeitern eingeladen, damit alle sich ordentlich voneinander verabschieden könnten. Als die Mitarbeiter gesammelt waren, war die Neugierde groß geworden und alle wollten wissen, was passiert war und warum die Frau Müller gehen wollte.
Wenn man aus persönlichen Gründen gehen möchte, denn ist diese Entscheidung zu respektieren und niemand hat Frau Müller nochmals nach den Gründen für die Kündigung gefragt. Es war aber zu spüren, dass die Mitarbeiter und Chef trotzdem wissen wollten, was eigentlich passiert war und die Frau Müller hat dann entschieden, etwas zu unternehmen.
Sie fragte dann „Viele von euch möchten wissen, warum ich gekündigt habe, aber bevor ich antworte, darf ich zwei Fragen stellen? Wenn ihr beide korrekt antwortet, dann nehme ich meine Kündigung zurück, aber wenn ihr die zwei nicht beantworten können, dann wünsche ich euch alles Gute und ich verabschiede mich endgültig, denn eine einzige Antwort allein reicht nicht aus.“
Totale Stille im Raum. Aber dann keine fünf Sekunden später haben alle Anwesenden gleichzeitig „ja, ja, ja, klar und selbstverständlich!“ gesagt.
Die Frau Müller stellte dann die erste Frage.
„Wir kennen uns seit fast zehn Jahren und alle hören mich rund um die Uhr tippen, oder?“
Die Antwort war leicht zu beantworten und von allen Menschen gleichzeitig zu hören:
„JA!“
Dann kam die zweite Frage.
„Was habe ich getippt die ganze Zeit?“
Nochmals Stille im Raum. Dieses Mal, lange Stille. Alle wussten, dass sie für die Buchhaltung zuständig war, aber keiner wusste so wirklich, was sie den ganzen Tag so tippte, auch ihr Chef nicht. Es blieb allen nichts anders übrig, als diese Antwort zu geben.
„Die Buchhaltung.“
Die Frau Müller hat sich dann von allen herzlichst verabschiedet und ging die Tür raus.
Die Antwort war falsch.
Die richtige Antwort und Zusammenfassung.
Frau Müller hat tatsächlich am Anfang in dieser Firma nur die Buchhaltung gemacht, Konten gebucht und Rechnungen kontrolliert. Diese Arbeit hat sie perfekt durchgeführt und sie hat Kontakt mit allen Mitarbeitern, die auch Schichtdienste gemacht haben.
Zwangsläufig kam die Frau Müller mit den Mitarbeitern ins Gespräch und viele haben sich über die Dienstpläne beschwert. Diese werden automatisch mit einem hausinternen EDV-System generiert und ausgedrückt. Alle Mitarbeiter haben sich danach zu richten.
Frau Müller hat langsam paar Änderungen bei den Schichtplänen gemacht, damit die Mitarbeiter besser damit klarkamen, aber keiner hat diese Änderung mitbekommen und alle dachten, es war das eigene EDV-System. Nach paar Jahren hat die Frau Müller die gesamten Arbeitspläne übernommen und bearbeitet für die gesamte Belegschaft übernommen.
Niemand in der gesamten Firma hat wahrgenommen, wie viel Arbeit diese Planungen erfordert und deshalb den ganzen Tag so tippen müsste.
Und eines Tages war ihr die Arbeit zu viel und sie stand kurz vor einem möglichen Burn-out. An diesem Tag hat sie entschieden, dass sie kündigen müsste.
Die Lektion.
Warum hat die Frau Müller einfach nicht gesagt, dass sie diese zusätzliche Arbeit macht? Diese Frage mag zwar berechtigt sein, aber sie ist nicht die korrekte Frage. Die korrekte Frage ist:
Warum hat der Chef nicht gewusst, was sie so tippt den ganzen Tag?
Es ist Aufgabe und Verantwortung der Führungskräfte zu wissen, was die Mitarbeiter machen, damit sie unterstützt und geholfen werden können. Diese Einstellung hat auch nichts mit einer Verletzung der Privatsphären zu tun, sondern ist Ausdruck der Fürsorge.
Lassen wir keine Frau Müllers mehr von uns gehen. Achten wir darauf, was unsere Mitarbeiter tun, und zwar aus Respekt und Fürsorge und nicht um zu kontrollieren oder zu protokollieren.
Dann bleibt die nächste Frau Müller doch länger bei der Firma.